Kindergeld

Unter welchen Voraussetzungen können Pflegeeltern das Kindergeld für ihr Pflegekind beanspruchen?

Der Anspruch auf Kindergeld richtet sich nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG).

Damit Pflegeeltern Kindergeld für ein Pflegekind erhalten, müssen gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. ein familienähnliches, auf Dauer angelegtes Band zwischen Pflegeperson und Kind,
  2. das Kind darf nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen worden sein und
  3. ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern besteht nicht mehr.

Zu 1: Familienähnliches, auf Dauer angelegtes Band zwischen Pflegeperson und Kind

Immer wieder kommt es zu Streitigkeiten zwischen Pflegeeltern und der Kindergeldkasse über die Frage, ob zwischen den Pflegeeltern und dem Pflegekind ein familienähnliches auf längere Dauer berechnetes Band entstanden ist. Zu dieser Frage liegen mittlerweile einige Entscheidungen vor.

So hat das Finanzgericht Köln im Jahr 2001 dazu Folgendes festgestellt:

„§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG setzt nicht voraus, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern endgültig – ohne Aussicht auf Wiederaufnahme – nicht mehr besteht. (...) § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG schreibt daher auch vor, dass die Pflegeeltern dem Pflegekind durch ein auf längere Dauer berechnetes familienähnliches Band verbunden sein müssen. Hierbei geht es zwar um die Sicht („Berechnung“) der Pflegeeltern, während es sich bei dem nicht mehr bestehenden Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind um ein die leiblichen Eltern betreffendes äußeres Tatbestandsmerkmal handelt. Dennoch wird auch das die leiblichen Eltern betreffende äußere Tatbestandsmerkmal von dem auf längere Dauer berechneten Band zwischen Pflegeeltern und Pflegekind geprägt. Denn es ist kaum denkbar, dass zwischen Pflegeeltern und Pflegekind ein auf Dauer berechnetes familienähnliches Band besteht, wenn die leiblichen Eltern von vornherein nur verhältnismäßig kurzfristig (vorübergehend) an der Wahrung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses gegenüber dem Kind verhindert sind. Es ist lediglich erforderlich, dass bei der Aufnahme des Kindes beabsichtigt ist, das Kind auf längere Dauer aufzunehmen. Dabei wird es sich um einen Zeitraum handeln müssen, der die Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses erlaubt. Dies ist bei Kleinkindern sicherlich ein kürzerer Zeitraum als bei schulpflichtigen Kindern. Andererseits ist es nicht erforderlich, dass das Verhältnis zeitlich unbegrenzt oder etwa bis zur Volljährigkeit des Kindes andauern soll (....). Es genügt, wenn nur unter gewissen Voraussetzungen mit einer vorzeitigen Beendigung des Zustandes zu rechnen ist oder die Pflegekindschaft mit einer – möglicherweise auch absehbaren – Veränderung der Lebenslage endet (vgl. BFH-Urteile vom 17.12.1952 IV 359/52 U, BFHE 57, 186, BStBl II 1953, 74 und vom 07.09.1995 III R 95/93, BStBl. II 1996, 63).“

Damit wird deutlich, dass für Bereitschaftspflegekinder kein Kindergeld gezahlt wird, da dieses Band nicht auf längere Dauer berechnet ist. Das ändert sich, wenn aus der Bereitschaftspflege eine Dauerpflege geworden ist.

Es ist nicht erforderlich, dass schon bei der Aufnahme des Kindes das Pflegeverhältnis auf Dauer angelegt war. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat in einer Entscheidung des Jahres 2008 festgehalten, dass die Beurteilung zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes in den Haushalt nicht für das gesamte Pflegeverhältnis prägend ist, sondern sich im Laufe des Pflegeverhältnisses ändern kann. Vielmehr hat das Gericht darauf abgestellt, dass auch bei einem Pflegeverhältnis, welches zunächst als Bereitschaftspflege gedacht war, nach Scheitern eines Rückführungsversuches bei einem Säugling auch nach sechs Monaten dann ein auf längere Dauer berechnetes familienähnliches Band entsteht, wenn der Säugling zunächst weiterhin in der Pflegefamilie verbleiben soll.

Zu 2: Keine Aufnahme des Pflegekindes zu Erwerbszwecken

Nach den aktuellen Mitteilungen der Bundesfinanzverwaltung wird erst dann davon ausgegangen, dass Pflegeeltern Pflegekinder zu Erwerbszwecken aufgenommen haben, wenn sie mehr als sechs Kinder im Haushalt betreuen.

Allerdings kann auch ein einzelnes Kind zu Erwerbszwecken aufgenommen sein, wenn die Pflegeeltern für die Unterbringung und Betreuung des Kindes nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten entlohnt werden, beispielsweise, wenn Pflegeeltern bei einem Träger als Angestellte eine sogenannte „Außenstelle“ betreiben.

Zu 3: Kein Obhutsverhältnis zu den leiblichen Eltern

Eine Kindergeldbewilligung setzt auch voraus, dass zu den leiblichen Eltern kein Obhutsverhältnis mehr besteht.

„Für die Annahme einer Pflegschaft im steuerrechtlichen Sinn ist nur Raum, wenn das Band zwischen Pflegekind und leiblichen Eltern in einem viel stärkeren Maß zerrissen ist als bei einer bloßen räumlichen Trennung. Entscheidend ist, dass die leiblichen Eltern sich nicht mehr um das Kind kümmern. (...) Dieses Merkmal ist dann gegeben, wenn – aus welchen Gründen auch immer – die Obhut und Pflege gegenüber dem Kind von Seiten der leiblichen Eltern so zurücktritt, dass sie im Wesentlichen nur noch durch die Pflegeeltern ausgeübt wird und die Pflegeeltern für das Kind gleichsam an die Stelle der leiblichen Eltern treten“ (BFH-Urteile vom 20.01.1995 III R 14/94; BStBl. II 1995, 582 und vom 07.09.1995 III R 95/93, BStBl. II 1996, 63).

Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht einheitlich für alle in Betracht kommenden Fälle, sondern nur im Einzelfall beurteilen. Entscheidende Kriterien sind dabei das Alter des Kindes, die Anzahl und Dauer der Besuche der leiblichen Eltern bei dem Kind sowie die Frage, ob und inwieweit vor der Trennung bereits ein Obhuts- und Pflegeverhältnis des Kindes zu den leiblichen Eltern bestanden hat.

Volljährigkeit von Pflegekindern

Wenn Pflegekinder nach Erreichen der Volljährigkeit im Haushalt der Pflegeeltern verbleiben, ohne Hilfe zur Erziehung nach §§ 33, 39 SGB VIII zu erhalten, sind sie unter den oben aufgeführten Voraussetzungen weiterhin kindergeldberechtigt.

Jedoch müssen selbstverständlich die allgemeinen Voraussetzungen des Kindergeldbezuges bei Volljährigen vorliegen. Auf diese soll hier nicht näher eingegangen werden.

Wichtig für Pflegeeltern ist es jedoch zu wissen, dass ein Pflegevertrag bei einem volljährigen Pflegekind keine notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf Kindergeld ist.

Auch Pflegekinder, die erst kurz vor der Volljährigkeit in Pflegefamilien aufgenommen wurden, sind kindergeldberechtigt. In einer interessanten Entscheidung des Finanzgerichts Münster heißt es dazu:

„Ein familienähnliches Band, wie es das Gesetz fordert, bedeutet, dass eine familienähnliche Personensorge, d. h. körperliche Versorgung und Erziehung gewährt wird (…). Im Streitfall hat der Kläger dem S. eine familienähnliche Personensorge zukommen lassen. Das ergibt sich schon daraus, dass ihm vom Jugendamt die Personensorge nach § 38 Abs. 1 KJHG übertragen worden ist. D. h., der Kläger war nach § 38 KJHG im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach § 33 KJHG berechtigt, es in der Ausübung der elterlichen Sorge zu vertreten. Er hat ihn auch tatsächlich, was auch vom Beklagten nicht bestritten wird, betreut. Es liegt auch das Tatbestandsmerkmal eines auf längere Dauer berechneten familienähnlichen Bandes vor.

Auf Dauer berechnet sind die Beziehungen dann, wenn sie von vorneherein zeitlich darauf angelegt sind, familienähnliche Bande zwischen den Pflegeeltern und den Pflegekindern entstehen zu lassen (…). Dabei ist entscheidend, dass aus der Sicht der Pflegeeltern (hier: des Pflegevaters) die Beziehungen auf Dauer angelegt sind. Das bedeutet, dass die Absicht der Pflegeeltern entscheidend ist (…). Absicht des Klägers war, was auch die Bescheinigungen des Jugendamtes bestätigen, die Pflege von S. auf nicht absehbare Zeit, nämlich bis zu seiner Verselbständigung, zu übernehmen. Dass sich im Streitfall die Erwartungen des Klägers nicht erfüllt haben, schadet nicht. Es kann für das Vorliegen des Tatbestandmerkmals „auf längere Dauer berechnet“ nicht darauf ankommen, wie die Prognose für das Pflegekind zum Zeitpunkt der Übertragung der Pflege für das Kind lautet. Auch bei einer – wie im Streitfall möglicherweise – schlechten Prognose für die Schaffung eines familienähnlichen, auf längere Dauer berechneten Bandes zwischen Kläger und S. kommt es allein auf die Absicht des Klägers an. Ob die Auffassung des Beklagten, dass bei einem Siebzehnjährigen, d. h. bei einem fast volljährigen Kind, unwahrscheinlich sei, dass noch familienähnliche Beziehungen zu Pflegeeltern entstünden, zutreffend ist, kann im Streitfall offen bleiben. Aus der gesetzlichen Regelung ist nicht zu entnehmen, dass eine altersmäßige Begrenzung für die Berücksichtigung von Pflegekindern vorliegt (…). Dann muss aber auch angenommen werden, dass der Gesetzgeber – unabhängig vom Alter des Kindes – das Entstehen familien-ähnlicher Beziehungen grundsätzlich für möglich hält.“

Antrag

Das Kindergeld kann auch rückwirkend gefordert werden. Allerdings besteht der Auszahlungsanspruch nur für die letzten sechs Monate ab Antragstellung (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO).

Das Kindergeld ist bei der Kindergeldkasse zu beantragen.

Ähnliche Ansprüche

  • Wer Kindergeld bezieht, kann für das Kind auch den Kinderzuschlag der Eigenheimzulage erhalten.
  • Bei der Einkommensberechnung zur BAföG-Gewährung sowie zur Darlehensrückzahlung gemäß § 25 Abs. 5 Nr. 1 Bundesausbildungs-Förderungsgesetz, § 18 a Abs. 1 BAföGG, finden sich entsprechende Regelungen.